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"Frühling in der Ich-AG"
Von Christiane Haas
Immer mehr Existenzgründungen in Deutschland
Die Förderung für die Ich-AG wird viel stärker in Anspruch genommen, als die Bundesanstalt für Arbeit erwartet hat. Ende Mai gab es bereits 24.537 Ich-AG's in Deutschland. Die Bundesanstalt hatte mit 20.000 Gründungen im gesamten Jahr gerechnet. Auch das schon länger bestehende Fördermodell, das sogenannte Überbrückungsgeld, läuft gut. Ende Mai liefen 74.488 Gründungen mithilfe des Überbrückungsgeldes - ein Zuwachs von rund 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr. So geht die Bundesanstalt davon aus, dass bis Jahresende insgesamt 200.000 neue Existenzen entstehen.
Wer kann eine Ich-AG gründen?
Alle Arbeitnehmer, die arbeitslos gemeldet sind und sich selbständig machen wollen, können eine Ich-AG gründen. Dann bekommen sie den sogenannten Existenzgründungszuschuss. Bedingung ist, dass sie vorher Leistungen wie Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhalt bezogen haben oder in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme oder Strukturanpassungsmaßnahme beschäftigt waren. Gefördert werden bei diesem Modell nur Ein-Personen-Unternehmen. Eine Ich-AG darf niemanden einstellen. Die Mitarbeit von Familienmitgliedern ist aber möglich. Bedingung ist außerdem, dass das Einkommen der Ich-AG während eines Jahres 25.000 Euro nicht übersteigt. Dabei zählt nicht der Umsatz, sondern der Gewinn, der nach Abzug aller Betriebsausgaben übrig bleibt. Dieser Jahreshöchstsatz gilt auch dann, wenn Familienmitglieder mitarbeiten. Diese gelten weder im sozialversicherungsrechtlichen noch im arbeitsrechtlichen Sinne als Arbeitnehmer.
Welche Tätigkeiten darf eine Ich-AG ausüben?
Ziel der Bundesregierung ist es, mit der Ich-AG kostengünstige Dienstleistungen zu fördern. Den Gründern stehen alle Tätigkeiten offen, die auch sonst selbständig ausgeübt werden. Wie bei jeder Selbständigkeit, muss die Ich-AG Gewerberecht, Handwerksordnung und berufsständische Regelungen beachten. Ist eine Eintragung in die Handwerksrolle notwendig, muss man dem Arbeitsamt eine entsprechende Bescheinigung vorlegen. Sollte die Ich-AG nicht gut laufen, können auch Nebentätigkeiten aufgenommen werden. Die Einkünfte werden zum Einkommen der Ich-AG hinzu gerechnet.
Wie hoch ist die Förderung?
Die Ich-AG kann bis zu drei Jahre gefördert werden. Den
Existenzgründungszuschuss erhält der Gründer als monatliche Pauschale. Im ersten
Jahr sind das 600 Euro, im zweiten Jahr 360 Euro und im dritten Jahr 240 Euro.
Der Zuschuss wird erst mal für ein Jahr bewilligt. Wenn weiterhin alle
Fördervoraussetzungen erfüllt sind, verlängert das Arbeitsamt die Förderung.
Sollten die Einnahmen in der Ich-AG entgegen den Erwartungen im Bewilligungsjahr
die 25.000 Euro überschreiten, muss der Zuschuss für die jeweils zurückliegenden
zwölf Monate nicht zurückgezahlt werden. Das soll den Ich-AG's
Planungssicherheit geben und hohen Verwaltungsaufwand vermeiden.
Stichwort Sozialversicherung
Ich-AG-Gründer sind verpflichtet, in die gesetzliche Kranken- und
Rentenversicherung einzuzahlen. Für die Rente ist normalerweise eine Pauschale
von monatlich 232,05 Euro fällig (alte Bundesländer) bzw. 194,51 Euro (neue
Bundesländer). Dabei wird ein monatliches Arbeitseinkommen von 1.190 Euro
zugrunde gelegt. Wer weniger verdient, kann auf Wunsch geringere Rentenbeiträge
einzahlen, muss dann aber sein tatsächliches Einkommen nachweisen. Die Beiträge
zur Kranken- und Pflegeversicherung kosten mindestens 187 Euro im Monat.
Muss man einen Geschäftsplan mit Kalkulation vorlegen?
Nein. Dem Arbeitsamt reicht das 3-seitige Antragsformular. Daraus muss die Art
der Tätigkeit hervorgehen und absehbar sein, dass man damit seinen
Lebensunterhalt bestreiten kann. Existenzgründerseminare sind keine Bedingung,
werden auch oft nicht mehr gezahlt. Allerdings ist allen Ich-AG-Gründern zu
raten, ihr Vorhaben gründlich durch zu rechnen: Wieviel Ausgaben sind zu
erwarten? Mit welchen Einnahmen kann ich rechnen? Wie muss ich meine Preise
gestalten? Viele Ich-AG's starten im Blindflug und gehen einfach mit
Niedrigstpreisen an den Markt. Diese Strategie ist nicht unbedingt zu empfehlen,
da dem Kleinunternehmen dann vielleicht frühzeitig die Puste ausgeht, weil kein
Geld bleibt für Rücklagen und laufende Investitionen.
Darf das Arbeitsamt den Antrag auf Ich-AG ablehnen?
Der Existenzgründungszuschuss für die Ich-AG ist eine Pflichtleistung des
Arbeitsamtes. So sieht es das Gesetz vor. Egal, wieviele Ich-AG's gegründet
werden, jede muss gefördert werden. Das Arbeitsamt kann eine Ich-AG allerdings
ablehnen, falls eine Scheinselbständigkeit vorliegt, wenn zum Beispiel eine
Fitnesstrainerin nur für ein einziges Studio tätig werden will.
Was ist besser: Existenzgründungszuschuss für eine Ich-AG oder
Überbrückungsgeld?
Eine Ich-AG ist besser: 1. wenn die Selbständigkeit tatsächlich im
Ein-Mann-Betrieb funktioniert bzw. niemand eingestellt werden muss, 2. wenn das
zu erwartende Einkommen mittelfristig nicht über 25.000 Euro hinaus geht und 3.
wenn die Arbeitslosenbezüge vorher sehr niedrig waren. Gedacht ist bei der
Ich-AG an die "kleine Selbständigkeit". Für größere Existenzgründungen dient das Überbrückungsgeld. Es wird vom Arbeitsamt nur sechs Monate lang gezahlt, in Höhe des bisherigen Arbeitslosengeldes. Verdienen darf man beim Überbrückungsgeld, soviel man will. Arbeitskräfte kann man auch einstellen. Überbrückungsgeld kann sich aber auch für die "kleine Selbständigkeit" lohnen, wenn das Arbeitslosengeld sehr hoch ist.
Was ist, wenn die Ich-AG scheitert?
Der Versicherungsschutz bleibt zunächst erhalten: Die Restdauer des Arbeitslosengeldes kann bis zu vier Jahre nach Entstehung des Leistungsanspruches wieder geltend gemacht werden. Wer Arbeitslosenhilfe bezogen hat, kann den Leistungsanspruch bis zu drei Jahre nach dem letzten Bezugstag wieder geltend machen.
Tipp: Fristen vom Arbeitsamt vorher genau ausrechnen lassen.
Wo bekomme ich Informationen?
Beim zuständigen Arbeitsamt gibt es alle wichtigen Informationen zum Antrag auf
Ich-AG oder Überbrückungsgeld. Die Berater können einem in der Regel auch sagen,
wer in der Stadt Existenzgründer-Seminare anbietet. Fragen zur Ich-AG
beantwortet auch die bundesweite Hotline der Bundesanstalt für Arbeit 01805/2200
(12 Cent pro Minute im Festnetz). Ausführliche Informationen über die Ich-AG,
Existenzgründung allgemein und die Aufstellung eines Geschäftsplans stellt das
Bundesministerium für Wirtschaft auf seiner Internet-Seite unter dem Stichwort
"Existenzgründer" zur Verfügung (www.bmwi.de). Dazu zählt auch eine Online-Beratung.
www.wdr.de [14. Juni 2003]
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