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Der jüdische Kalender und heilige Tage |
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Lag ba'Omer (18. Ijar) ist der 33. Tag der *Sefirat ha'Omer ('Lag' hat den hebräischen
Zahlenwert 33). Dieser "halbe Festtag" unterbricht resp. be endet die Trauerzeit
während der Omer-Tage, es ist u.a. wieder erlaubt zu heiraten und die infolge
der Trauerzeit erfolgten Einschränkungen der Freude wieder aufzunehmen (z.B
darf man sich am Lag ba'Omer wieder die Haare scheren).
Das Mysterium Und Seine Lösungswege
Lag ba'Omer ist ein mysteriöser Tag. In der biblischen und talmudischen Literatur
ist von ihm nicht die Rede, und diese Tatsache verschärft nur die Grösse des
Fragezeichens hinter diesem Datum. Erst Ende 13. Jahrhundert lassen sich erste
Quellen finden, die diesem Tag eine besondere Bedeutung beimessen. Diese und
weitere Erklärungen, die dem Mysterium Lag ba‘Omer auf den Grund gehen, sollen
in der Folge aufgeführt werden, wobei auch die Bedeutung der an diesem Tag von
vielen Juden durchgeführten Bräuche aufgedeckt werden sollen.
Die Traditionell-Talmudische Erklärung
Das Hauptmotiv der Trauer während der Omer-Zeit liegt in folgender tragischen
Talmudpassage:
"Man erzählt, dass Rabbi Akiwa [grosser
Tanna {*Mischna-Lehrer}, geb. um 50, Märtyrertod durch die Römer
135] zwölftausend
Schülerpaare hatte,…und alle starben sie in e
iner Zeitperiode, weil sie
einander keine Ehrung erwiesen…Es wird gelehrt: A
alle starben sie zwischen dem
Pessachfeste und dem Wochenfeste."
(Babylonischer Talmud, Traktat Jebamoth 62b)
Einer der grossen
Talmudkommentatoren, Rabbi Menachem ben Schlomo Me'iri (1249-1306,
Provence), fügt in seinem Werk "Beth HaBechira" hinzu, dass gemäss einer
Überlieferung der *Ge'onim das Sterben der zahlreichen Schüler Rabbi Akiwas am
33. Tag des Omers aufhörte. Aufgrunddessen findet heute in den meisten
jüdischen Gemeinden, und im speziellen in Israel und in den *sefardischen
Gemeinden, die Trauerperiode am 33. Omer-Tag ihr Ende. In den meisten
*aschkenasischen Gemeinden dagegen
wird an diesem Tag die Trauer zwar unterbrochen,
am nächsten Tag jedoch wieder
aufgenommen (s. dazu *Sefirat Ha'Omer).
Gemäss dieser Auffassung hat also Lag Ba'Omer keinen
eigenen, positiven Wert an sich, steht er doch nur für den Abschluss oder
Unterbruch der Trauerzeit.
Die kabbalistische Erklärung
Lag ba'Omer ist auch der Todestag von dem bedeutenden Tanna Rabbi
Schim’on bar Jochai, dem Schüler Rabbi Akiwas. Um dem Tode durch die Römer zu
entgehen, verbarg er sich mit seinem Sohn El'asar 13 Jahre in einer Höhle und
vertiefte sich dort in das Studium der Tora. Rabbi Schim’on bar Jochai war
einer der führenden Persönlichkeiten der mündlichen Überlieferung und wird in
der *Mischna rund 320 Mal erwähnt. Die Tatsache jedoch, dass sein Todestag als
"Hillula" (mystisches Freudenfest) gefeiert wird, ist vor allem darauf zurückzuführen,
dass ihm die Verfassung des kabbalistischen Monumentalwerkes, des *Sohar,
zugeschrieben wird. Aus diesem Grunde werden noch heute, speziell an seinem zur
Wallfahrtsstätte gewordenen Grabmal Meron im nördlichen Galil, neben
andächtigem Gebet Lagerfeuer gemacht, da das von ihm im Sohar offenbarte
himmlische Licht nun für all seine Schüler entzündet wurde. ( Die Tora selbst
wird nach König Salomon mit Licht verglichen, wie es heisst: "Denn eine
Leuchte ist das Gebot, und die Tora (Lehre) ein Licht" (Sprüche 6, 23).)
Die übermässige Freude an dem
Todestag eines Zaddik, eines Gerechten, beruht auf kabbalistischen Konzepten, wonach die Seele eines Frommen am
alljährlichen Tage seines Ablebens weiter aufsteigt und eine "Hit'alut"
("metaphysische Erhöhung") erhält. Rabbi Schim'on bar Jochai selbst
spürte grosse Freude an seinem
Todestag und bezeugte von sich, dass er sein ganzes Leben nur auf diesen Tag
gewartet habe, da er die Geheimnisse der Tora vor seinem Tode seinen Schülern
verraten konnte (Sohar).
Die historische Erklärung
"Im Jahre 66 - vier
Jahre vor der *Zersrörung des jüdischen Tempels in Jerusalem -
schickte der römische Landpfleger Florus einen Befehl an die
jüdischen Tempelvorsteher, ihm siebzehn Gold-Talente aus dem heiligen Schatze
einzuhändigen, deren er für des Kaisers Interesse bedürfe. Dieser Befehl,
dessen Endabsicht die Bewohner von Jerusalem durchschauten, rief sie zum
Tempelplatze zusammen, als wenn sie das bedrohte Heiligtum schützen wollten.
Die Mutlosen brachen in Klagen aus, die Entschlossenen beschimpften den Namen
des römischen Landpflegers und trugen eine Büchse umher, als wenn sie für den
armen Florus eine Geldsammlung veranstalten wollten. Dieser kam aber selbst
nach Jerusalem in der Voraussicht, er werde Gelegenheit finden, seine Habgier
und seinen Blutdurst zu befriedigen…Wie Dämonen stürzten sich die wilden
Soldaten auf den Obermarkt und die angrenzenden Strassen, erschlugen Männer,
Frauen und Kinder, zerstörten die Häuser und trugen den Raub davon. Es kamen an
diesem Tage mehr als 3000 Menschen um. Die Gefangenen liess Florus geisseln und
ans Kreuz schlagen." (Dr. H. Grätz: "Volkstümliche Geschichte der
Juden“" {1853-75}, 1.Band, S. 571)
Dies
ereignete sich am 16. Ijar. Tags darauf
"steigerte Florus seine Frechheit
und verlangte als Beweis ihrer
friedfertigen Gesinnung, dass die Vornehmen und das Volk den zum Einzuge
erwarteten Truppen entgegengehen und sie freundlich begrüssen sollten."
(Grätz, ibid., S.
572)
Nun war
das Fass am Überlaufen und es begann der eigentliche Aufstand der Juden gegen
die Römer, wie es der bekannte Geschichtsschreiber Flavius Josephus in
seinem Augenzeugenbericht festhielt:
"Das
Volk strömte in grosser Erregung auf dem oberen Markt zusammen und bejammerte
unter lautem Klagengeschrei die Ermordeten, während zugleich der Hass gegen
Florus sich in argen Verwünschungen Luft machte…Die Soldaten drangen in die
Stadt ein, unablässig auf alle losschlagend, die sie erreichen konnten, und
suchten das Volk in den Bezetha genannten Stadtteil zu drängen und sich des
Tempels und der Burg Antonia zu bemächtigen. In der nämlichen Absicht war auch
Florus mit seiner Streitmacht aus dem Königspalast herbeigeeilt und suchte nun
an die Festung heranzukommen. Der Anschlag misslang indes, denn auf einmal
wandte sich das Volk, hielt dem Angriff stand und schoss, über die Dächer
verteilt, auf die Römer hinab. Da diesen aber die aus der Höhe kommenden
Geschosse arg zusetzten, und sie übrigens auch zu schwach waren, um die in den
engen Gassen sich aufstauende Menschenmasse zu durchbrechen, zogen sie sich in
ihr Lager nahe beim Königspalast zurück." (Josephus: "Geschichte des
Jüdischen Krieges", 2. Buch, 15. Kapitel, S. 244)
Dies war der eigentliche Beginn der
langen Kette Jüdisch-Römischer Auseinander- setzungen. Und am Lag Ba'Omer wird
dieses erstmaligen jüdischen Aufstands gegen die Römer gedacht.
Es drängen sich jedoch zwei Fragen
auf:
a) Dieser Aufstand ereignete sich am 17.
Ijar. Wie kommt es, dass der darauffolgende
Tag, der 18. Ijar (Lag
Ba'Omer) als Gedenk-Feiertag begangen wird?
b) Wieso wird als Datum dieses feierlichen
Tages nicht die herkömmliche
Monatszählung (18. Ijar), sondern die gezählten
Tage der Omer-Zeit (Lag Ba'Omer = 33. Omer-Tag) angegeben?
Dr. Jomtov Levinsky fand für beide Fragen eine Antwort:
Am Tage des Aufstands, dem 17.
Ijar, konnten die jüdischen Boten die Neuigkeiten noch nicht dem ganzen Volk im
Lande Israel verkünden. Erst als es Abend war, wurden Signalfeuer auf den
Hügeln gezündet [diese Methode der Botschaftsverbreitung war in jener
Zeit populär, und wurde z.B bei der Verkündung des *Neumonds angewendet. (s.
Mischna Rosch HaSchana 2, 2-4)], um die Botschaft des
jüdischen Aufstands zu verbreiten. Erst die Nacht des 18. Ijar also
wurde in der Heldentradition des Volkes verewigt (beginnt doch der Tag im
jüdischen Kalender schon am Vorabend).
Dass nun dieser denkwürdige Tag als
33. Omer und nicht als 18. Ijar in die Volksgeschichte einging,
hängt damit zusammen, dass die Römer den Juden verboten, Daten des jüdischen
Kalenders - mit Ausnahme von Trauertagen wie dem 9. Av (*Tisch'a b'Av) -
öffentlich zu nennen. So ist mit "Lag ba'Omer" bewusst ein unklares,
mysteriöses Datum gewählt worden, um keinen Verdacht bei den Römern zu
erwecken. (Levinsky:
"Sefer HaMoa'dim" {1955}, 6. Band, S. 341)
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